Gemeinsamer Antrag von SPD, CDU, BG, FDP und fraktionslos
Beschlusstext:
Die am 14.7.2005 durch die Stadtverordnetenversammlung beschlossene und am .8.2005 in Kraft getretene Straßenbeitragssatzung wird zum 1.10.2020 ersatzlos aufgehoben.
Begründung:
Der Stadtverordnetenbeschluss vom 27.11.2019 über Aufhebung der Atraßenbeitragssatzung war nicht rechtskräftig.
Die Konsultation des HSGB Hessischen Städte- und Gemeindebundes zu diesem Beschluss hat ergeben, dass von einer rückwirkenden Beschlussfassung dringend abgeraten wird aufgrund rechtlicher Unsicherheit und überdies die Kommunalaufsicht einzubinden sei.
Die Kommunalaufsicht beim Main-Kinzig-Kreis bestätigt mit Datum vom 21.1.2020 die Einschätzung des HSGB.
Aus diesem Grund erfolgte keine Amtliche Bekanntmachung, weil diese von der Kommunalaufsicht formal beanstandet worden wäre.
Ausführliche Erläuterung:
In der Stadtverordnetenversammlung 27.11.2019 wurde unter TOP 3.5 ein Antrag der SPD und FDP auf „Abschaffung der Straßenausbaubeiträge“ beraten.
Der ursprüngliche Antrag galt der Abschaffung zum 1.1.2020.
Der Änderungsantrag zum Verweis in den HFA fand keine Mehrheit 4:27:2
Der Änderungsantrag der CDU für den rückwirkenden Stichtag 1.1.2019 ergab 30:0:3
Die Abstimmung über den so geänderten Fraktionen-Antrag ergab 30:0:3 und war somit als eindeutiges Votum der Stadtverordnetenversammlung beschlossen – allerdings nicht rechtskräftig und damit auch nicht umsetzbar.
Der Protokollvermerk zur Stadtverordnetensitzung lautete:
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung hat die Stadtverordnetenvorsteherin darauf hingewiesen, dass nicht geprüft ist, ob eine rückwirkende Aufhebung der Satzung zulässig sei. Der HSGB weist in seiner mittlerweile von der Stadt Gelnhausen eingeholten Stellungnahme darauf hin, dass von einer rückwirkenden Aufhebung dringend abgeraten wird aufgrund rechtlicher Unsicherheit und überdies die Kommunalaufsicht einzubinden sei.
Die Kommunalaufsicht bestätigt mit Datum vom 21.1.2020 die Einschätzung des HSGB.
Das weitere Vorgehen ist zu klären.
Die Einschätzung des HSGB Hessischen Städte- und Gemeindebundes wird von der Kommunalaufsicht MKK bestätigt. Im Präsidium der Stadtverordnetenversammlung Gelnhausen wurde vereinbart, der Empfehlung des HSGB zu folgen, wonach die Stadtverordneten selbst einen entsprechend geänderten Antrag in die Stadtverordnetenversammlung einbringen sollen.
Das Thema Straße und damit verbundene Beiträge gliedert sich grundsätzlich in die zwei unterschiedlichen Bereiche „Erschließung“ und „Ausbau“ und wird am Beispiel Alter Graben (Anlage 2) anschaulich:
1. Erschließungsbeitragssatzung (diese bleibt weiterhin bestehen)
Erschließung (Anlage 2 blaue Markierung) ist die erstmalige Herstellung einer Verkehrsanlage einer bisher nicht existenten Straße bis hin zur vollständigen Abrechnung (Ersterschließung);
rechtliche Grundlage sind die Regelungen des (Bundes-)Baugesetzbuches/BauGB
Voraussetzungen hierbei sind:
- Straße ist öffentlich gewidmet
- Gemeinde ist Eigentümerin der Straßenfläche
- Beleuchtungs- und Entwässerungseinrichtungen sind vorhanden
- Erschließungsaufwand wird zu 90 % durch die Eigentümer der beitragspflichten
- Grundstücke getragen
Diese Erschließungsbeitragssatzung bleibt nach wie vor bestehen.
2. Straßenbeitragssatzung (diese soll nun ersatzlos aufgehoben werden)
Ausbau einer schon bestehenden, voll aufgebauten Straße (Anlage 2 rote Markierung): rechtliche Grundlage ist allein in den Kommunalabgabengesetzen der Bundesländer
Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung der öffentlichen Einrichtung „Straße“ über den normalen Unterhaltungs- und Instandsetzungsaufwand hinaus.
Dieser Bereich ist in Gelnhausen zuletzt geregelt mit Straßenbeitragssatzung 2005 (Anlage 1) und ist Inhalt dieser Beschlussvorlage.
Eine Beschlussfassung greift immer erst auf einen künftigen Zeitpunkt und gilt darüber hinaus auch nur für künftige Maßnahmen.
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung bereits laufende Maßnahmen, die noch nicht abgerechnet sind, fallen nicht unter eine Neuregelung.
Der Stadtverordnetenbeschluss vom 27.11.2019 zeigte auf jeden Fall ein mehrheitliches Einvernehmen zur Aufhebung der Straßenbeitragssatzung im Sinne der Bürger.
Selbst wenn dieser Beschluss formvollendet in die Zukunft gerichtet gewesen wäre und Rechtskraft erlangt hätte, würde die Aufhebung dieser Satzung auf keinen Fall greifen für all jene Straßenausbaumaßnahmen, die zu dem Zeitpunkt noch liefen und noch nicht abgerechnet waren. Diese müssen in jedem Fall nach altem geltenden Modell fertig abgerechnet werden.
Bisher waren Kommunen gehalten, für den Um- und Ausbau der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze, der über die laufende Unterhaltung und Instandsetzung hinausgeht, Beiträge erheben sollen.
Aufgrund der Einnahmebeschaffungsgrundsätze des § 93 Absatz 2 HGO, nach welchem die Gemeinden (nach der damaligen Rechtslage) die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen, soweit vertretbar und geboten, aus Entgelten für ihre Leistungen und im Übrigen aus Steuern zu beschaffen hatte, soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen nicht ausreichten, führte dies faktisch dazu, dass es für die meisten Kommunen im Hinblick auf die Finanzlage zu einer Verpflichtung der Erhebung der Straßenbeiträge nach der damaligen Rechtslage kam.
Mit Gesetzesänderung vom 28.5.2018, gültig ab 7.6.2018 wurde § 11 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes dergestalt geändert, dass die Gemeinden nunmehr für den Um- und Ausbau der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze (Verkehrsanlagen), der über die laufende Unterhaltung und Instandsetzung hinausgeht, Beiträge erheben können.
Gleichzeitig wurde die HGO Hessische Gemeindeordnung geändert, so dass in der HGO § 93 Absatz 2 dergestalt geändert wurde, dass der Satz „von der Verpflichtung, Entgelte vorrangig zu erheben, sind Straßenbeiträge nach den §§ 11 und 11 a) des Gesetzes über kommunale Abgaben in der Fassung der Bekanntmachung vom 24.3.2012 (GVBL S. 134), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.5.2018 (GVBl.S 447) ausgenommen. § 92 Absatz 4 HGO bleibt unberührt“ hinzugefügt wurde.
Mit dieser Anderung wurde seitens des Hessischen Gesetzgebers den Kommunen die Möglichkeit eröffnet, auf Straßenbeiträge ganz zu verzichten.
Wobei der allgemeine Haushaltsgrundsatz § 92 Absatz 4 HGO „Der Haushalt soll in jedem Jahr in Planung und Rechnung ausgeglichen sein“ weiterhin gilt.
Diese Gesetzesänderung waren somit Auslöser für die Abschaffung von Straßenbeiträgen in anderen Städten und auch Auslöser kontroverser Diskussionen in den Gremien der Barbarossastadt Gelnhausen. Aus diesem Grund gab es am 18.3.2019 eine Bürgerversammlung in der Stadthalle Gelnhausen zu dem aktuellen Sachstand in Hessen.
Diese Änderung von sollen auf können hat bereits in mehreren Bundesländern stattgefunden und eröffnet den Kommunen theoretisch drei Vorgehensweisen:
- Beibehaltung der bestehenden Straßenbeitragssatzung wie bisher
- seit 2013 die Möglichkeit, auf sogenannte wkB wiederkehrende Beiträge umzusteigen, die einem sehr differenzierten Berechnungsmodell mit Quartierseinteilungen zu unterwerfen sind
- die Straßenbeitragssatzung ganz abzuschaffen
Die Änderung des KAG durch den Hessischen Landtag begründet bedauerlicherweise keinen finanziellen Ausgleich für diejenigen Kommunen, die sich zu einer Abschaffung durchringen, so wie dies in Bayern der Fall ist. Aus diesem Grunde zögern verständlicher Weise hessische Kommunen, diesen Schritt der Abschaffung zu gehen, weil die Anforderungen und Aufwendungen im Kita-Bereich permanent steigen und andererseits viele Kommunen noch mit Schutzschirm-Vereinbarungen strenge Auflagen zu erfüllen haben.
Die Aufhebung der Straßenbeitragssatzung in Gelnhausen wird letztendlich aus nachfolgenden Gründen befürwortet:
- Der hessische Gesetzgeber hat durch die Änderung § 11 KAG diese Möglichkeit eröffnet.
- Die Straßenbeitragssatzung stellt bei Betroffenen zum jeweiligen Zeitpunkt eine besondere Härte dar.
- Die Alternative der „wiederkehrende Beiträge“ zieht einen enormen Verwaltungsaufwand im Vorfeld und in der nachfolgenden Bearbeitung nach sich, weil zunächst sogenannte Quartiere zu bilden sind, die in etwa gleiche Voraussetzungen aufweisen: Straßen am Hang, Straßen auf gerader Ebene, felsiger Untergrund, sandiger Untergrund usw.
Damit einher geht eine differenzierte und aufwändig gegliederte Beauftragung, Buchung, Rechnungslegung mit anschließend zeitnaher Weiterberechnung. Das bedeutet, dass sich die wiederkehrenden Beiträge in zeitlicher Abfolge immer wieder verändern. Die Kalkulation der mit diesem Aufwand verbundenen Personalkosten bewegt die meisten Kommunen, von dieser Lösung Abstand zu nehmen.
Die gemäß Präsidiumsempfehlung von der Stadtverordnetenvorsteherin zu erstellende Vorlage wurde dort bereits abgestimmt.
Gelnhausen, 25.8.2020