Im Jahr 2009 wurde von den Vereinten Nationen (UNO) der Tag der sozialen Gerechtigkeit ins Leben gerufen. Für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ein Kernthema, schließlich sind die Werte FREIHEIT GERECHTIGKEIT SOLIDARITÄT die Grundwerte der Sozialdemokratie. Wie steht es Anfang des Jahres 2021, nach fast einem Jahr mit einer weltweiten Pandemie um die soziale Gerechtigkeit auf der kommunalen Ebene? Die stellvertretende Vorsitzende der SPD Gelnhausen, Angelika Hoffmann sprach mit Özcan Erbasaran, Schriftführer des Ortsvereinsvorstands, der auch Kreisschulsprecher und bei den Jungsozialisten aktiv ist.
Als die Pandemie vor einem Jahr auch Deutschland erreichte, geriet ausgerechnet die Gelnhäuser Tafel in Not und musste vorübergehend geschlossen werden. Der Grund lag auf der Hand: ein Großteil der ehrenamtlich Helfenden war im Rentenalter und gehörte damit zur besonders gefährdeten Gruppe. Da hatte Susanne Simmler, Erste Kreisbeigeordnete und Sozial- und Gesundheitsdezernentin eine Idee – und damit eine schnelle Lösung: Jugendliche, allen voran die Jugendorganisationen der Parteien, Jusos, JU, Junge Liberale und die Grüne Jugend, der Partei „die Partei“, aber auch Jugendliche aus Vereinen und Kirchen wurden mobilisiert und waren sofort bereit zu helfen. Die Resonanz war überwältigend und die Versorgung der Kunden der Gelbhäuser Tafel war gesichert. Zusätzlich boten die Jugendlichen einen Einkaufsdienst an und übernahmen Besorgungen für ältere und behinderte Menschen.
„Die evangelische Kirchengemeinde Auf dem Berg hat uns bei der Koordination der Routen und der Organisation Hilfestellung geleistet, denn wir hatten so etwas ja noch nie gemacht, erläutert Özcan Erbasaran seine damaligen Erfahrungen. „Frühmorgens haben wir die Lebensmittel bei den Supermärkten im gesamten Umkreis abgeholt. Angenehm überrascht hat mich, dass viele Supermärkte nicht nur abgelaufene Ware abgegeben, sondern auch frische, die sie hätten verkaufen können, in die Körbe gepackt haben“.
In der Sammelstelle der Tafel in Gelnhausen, so Özcan Erbasaran weiter, seien die Waren überprüft und für die Verteilung vorbereitet worden. „Von März bis in den Mai haben wir so im ganzen Kreis die Kundinnen und Kunden der Tafel mit Lebensmitteln versorgt, denn die Ausgabestellen, die sonst ihre Ware von der Tafel Gelnhausen bekommen, waren natürlich auch geschlossen. Wir hatten alle das Gefühl, mit unserer Hilfe wirklich etwas zu bewegen.“
Im Normalfall holten sich die Kundinnen und Kunden der Tafel ihre Lebensmittel an den Ausgabestellen ab, erläutert Özcan Erbasaran das Prinzip. Nun übernahmen es die Jugendlichen, die vorab zusammengestellten Lebensmittel an die registrierten Kunden auszuliefern. Werde man Kunde oder Kundin bei der Tafel, müsse man am Anfang nachweisen, dass man diese Hilfe auch benötige. So werde Missbrauch verhindert und die Hilfsgüter kämen bei den Menschen an, die sie wirklich brauchten.
„Sehr schnell kam damals eine Gruppe von Jugendlichen zusammen, wir waren z. T. mit bis zu 70 Personen im Einsatz. Das hat großen Spaß gemacht und den Menschen, die wir beliefert haben, ein Lächeln auf das Gesicht gezaubert. Auch unser Angebot, Einkäufe zu erledigen oder notwendige Medikamente aus der Apotheke zu besorgen, ist dankbar angenommen worden.“
In den letzten zwei Jahrzehnten, ergänzt Angelika Hoffmann, sei die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland immer weiter auseinander gegangen. Das zeige sich noch deutlicher als sonst seit Ausbruch der Pandemie, in der viele Menschen zusätzlich in Not gerieten und mit erhöhten Lebenshaltungskosten zu kämpfen hätten. Im reichen Sozialstaat Deutschland lebten Millionen Menschen in Armut oder an der Armutsgrenze, viele davon Kinder und Jugendliche. Gleichzeitig lande fast die Hälfte aller produzierten Lebensmittel auf dem Müll. Erfreulicherweise steige aber auch das Bewusstsein dafür, dass Lebensmittel zu wertvoll seien, um sie einfach zu vernichten.
Viele Gelnhäuser SPD-Mitglieder seien deshalb Mitglied der Tafel oder spendeten regelmäßig während der Aktionen in Supermärkten. „Es ist traurig, dass es notwendig ist, auf diese Weise den Lebensunterhalt zu sichern, aber die Tafel ist unverzichtbar. Ohne die zusätzliche Hilfe würde es vielen Bedürftigen an Lebensmitteln fehlen. Wir sind der Auffassung, dass die Grundversorgung vom Staat gesichert werden muss“, erläutert Angelika Hoffmann. „Der Sozialband VdK fordert seit langem eine Erhöhung der finanziellen Transferleistungen Hartz IV und Altersgrundsicherung sowie eine separate Kindergrundsicherung, um die soziale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für alle sicherzustellen.“
Zur sozialen Gerechtigkeit gehöre jedoch mehr als genügend zu essen zu haben, so Angelika Hoffmann. „Eine soziale Stadtgesellschaft, wie wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sie verstehen, darf niemanden zurücklassen. Das ist unser Verständnis von Sozialpolitik auf der kommunalen Ebene“, so Angelika Hoffmann weiter. „Zur sozialen Gerechtigkeit gehören außerdem die Verfügbarkeit von ausreichend bezahlbarem Wohnraum insbesondere für Menschen mit niedrigerem Einkommen, für Geflüchtete und Obdachlose in Gelnhausen, Zugang zu Betreuung und frühkindlicher Bildung, die erst die Voraussetzung für Chancengleichheit schafft und vor dem Abgleiten in die Armutsfalle schützt. Daran wollen wir arbeiten, nicht nur am Tag der sozialen Gerechtigkeit, sondern das ganze Jahr über“, so Angelika Hoffmann und Özcan Erbasaran abschließend.