In der Landtagsdebatte zu der Entwicklung ländlicher Räume am Mittwoch kritisierte die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag das von schwarz-grün angekündigte Programm zur Unterstützung der ländlichen Gebiete als „dreiste Mogelpackung“.
„Wie schon so oft müssen wir erleben, wie bereits verplantes Geld oder Mittel von Dritten zu einem Landesprogramm zusammengeschnürt und als angebliche Offensive verkauft werden. Wer aber näher hinschaut, merkt, dass die angekündigten 1,8 Milliarden für das Entwicklungsprogramm zum einen zu 1,5 Milliarden aus originären Mitteln der Gemeinden, Städte und Kreise bestehen, die schon seit längerem für Maßnahmen in den ländlichen Gebieten vorgesehen waren und dass zum zweiten die übrigen 500 Millionen aus Mitteln stammen, die die Landesregierung den Kommunen zuvor gestrichen hat. Das soll ein großer Wurf sein? Wer wie CDU und Grüne nur ein neues Etikett auf bereits verplantes Geld klebt, der zeigt deutlich, dass er von den wahren Problemen der ländlichen Regionen in Hessen nichts verstanden hat“, so die Wetterauer Landtagsabgeordnete und stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Lisa Gnadl.
Statt solcher Mogelpackungen forderte Gnadl die Landesregierung auf, endlich echte Maßnahmen zu ergreifen, um das Auseinanderdriften von Stadt und Land zu stoppen. „Die Städte und Gemeinden müssen finanziell wieder in die Lage versetzt werden, ihre Pflichtaufgaben erfüllen zu können und darüber hinaus wieder Handlungsspielräume zu bekommen, vor Ort zu investieren. Denn in unseren Städten und Dörfern leben wir und wir haben ein Recht darauf, dass wir gleichwertige Lebensverhältnisse überall in Hessen haben. Gesundheit, Pflege, Bildung und Kultur müssen wohnortnah bereitstehen. Wir wollen kein Hessen der zwei Klassen! Alle Hessinnen und Hessen haben ein gutes Leben verdient, ob sie in der Großstadt oder auf unseren Dörfern zu Hause sind“, sagte Gnadl.
Gerade die CDU habe in Hessen die Probleme selbst verursacht, die sie nun mit einem Placebo-Programm lösen wolle: „In den zwanzig Jahren, in denen die CDU in Hessen mittlerweile die Regierung führt, hat sie den ländlichen Raum ausbluten lassen. Sie hat Geld für die Regionalentwicklung und die Dorferneuerung gekürzt, die soziale Infrastruktur zusammengestrichen, sie hat Gerichte und Behörden geschlossen und zentralisiert – wie etwa das Amtsgericht in Nidda, wodurch dort rund dreißig Arbeitsplätze weggefallen sind. Jetzt kurz vor der Wahl zu verkünden, in die Finanzverwaltung nach Nidda genau den gleichen Stellenanteil wieder zu verlagern, der vor sieben Jahren bei der Schließung des Amtsgerichts weggefallen ist, ist der Versuch der Wählertäuschung. Um den eigenen Haushalt zu sanieren, haben die CDU-geführten Regierungen sich am Kommunalen Finanzausgleich bedient und dort Milliarden entnommen, die vor Ort in den Städten und Gemeinden fehlen und dort oft genug zu Steuern- und Gebührenerhöhungen geführt haben. Überall vor Ort fehlt es an Geld für dringend benötigte Investitionen. In Bayern etwa hatten die Städte, Gemeinden und Kreise pro Einwohner/in doppelt so viel Geld für Investitionen zur Verfügung wie in Hessen! Das Ergebnis sehen wir: an den Schlaglöchern in den Straßen, an renovierungsbedürftigen Bürgerhäusern und Sporthallen und an den geschlossenen Schwimmbädern wie beispielsweise in Nidda und Büdingen“, so die SPD-Abgeordnete. Es müsse Schluss sein mit der Kommunalfeindlichkeit der CDU-Regierungen.
Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Bettina Müller kritisiert die Landesregierung: „Herr Bouffier gibt sich als großzügiger Spender für den ländlichen Raum. Jetzt, kurz vor der Wahl“, so Müller.
Die letzte große Koalition habe beschlossen, dass der Bund den Kommunen zur Entlastung bei den hohen Sozialausgaben mit fünf Milliarden Euro pro Jahr unter die Arme greife. Bettina Müller: „Die Landesregierung sackt einfach den Anteil ein, der den hessischen Kommunen aus der 5-Milliarden-Entlastung des Bundes zusteht. Jetzt haben sie einfach ein neues Etikett draufgeklebt: ‚Land hat Zukunft – Heimat Hessen‘ und wollen sich als Retter des ländlichen Raums und der Kommunen feiern lassen.“
Auch bei den gerade abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen habe sich gezeigt, dass die Landesregierung keine Skrupel habe, sich auf Kosten der Kommunen zu bereichern: „Hier hat Herr Bouffier sich dafür eingesetzt, dass die erhöhte Gewerbesteuerumlage, die die Kommunen an Land und Bund für den Aufbau Ost bezahlen, nicht wie vorgesehen in 2020 wegfällt. Das sind rund 300 Millionen, die die hessischen Gemeinden und Städte an das Land zahlen. Mit diesem dringend benötigten Geld könnten die Kommunen Jahr für Jahr planen und vor Ort Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Mobilität nachhaltig und besser gestalten als mit kurzfristigen und willkürlichen Finanzspritzen aus Wiesbaden“, erklärt Müller, die sich als Mitglied der SPD-Arbeitsgruppe Kommunalpolitik im Deutschen Bundestag für den ländlichen Raum engagiert.
Einig sind sich die beiden SPD-Abgeordneten auch in ihren Erwartungen hinsichtlich der Landtagswahl am 28. Oktober: „Wir brauchen nach 20 Jahren CDU-Herrschaft endlich wieder eine sozialdemokratische Landesregierung, die die Städte, Gemeinden und Kreise als Partner sieht und ihnen Luft zum Atmen lässt. Die hessische SPD will den Kommunalen Finanzausgleich neu gestalten, die hessischen Kommunen wieder finanziell besser ausstatten und Kommunen bei notwendigen Investitionen und den Kita-Kosten entlasten. Diese inhaltlichen Unterschiede zwischen den beiden großen Volksparteien werden wir im kommenden Landtagswahlkampf immer wieder herausstellen“, so Bettina Müller und Lisa Gnadl.